Ein Sommertagsmärchen
 aus der Stadt von morgen

Es war einmal ein ganz normaler Tag. Die Sonne schien und die Vögel sangen im Park. Statistisch gesehen bedeutet das, dass sich viele Menschen dort aufhalten. Und so war es auch.

Beinahe jedes Fleckchen städtischen Grünlands war besetzt mit Menschen, die sich zielgeleitete Frisbees zuwarfen, sich angeregt mit ihren Freund*innen unterhielten – die meisten mit ihren smarten Telefoncomputern in der Hand, manche aber auch ganz oldschool offscreen in kleinen Grüppchen auf Picknickdecken verteilt –, einfach nur in der Sonne lagen und mit kabellosen Knöpfen in den Ohren sich entspannt mit den neuesten Podcasts auf den neuesten Stand des Gezwitschers ihrer Lebenspeerbubble bringen ließen oder sich mit Hilfe von ASMR von ihrem stressigen Tag im Homeoffice oder dem anstrengenden Kicker-Turnier ihrer StartUp-Klitsche erholen wollten.

Dazwischen – auf den sich durch den Park schlängelnden Wegen – joggten immer mal wieder vereinzelt Menschen durch das Szenario dieser städtischen Erholungsinsel, meist entspannt, nur manchmal gestresst von ihren smarten Uhren, die ihnen per bluetooth über ihre Telefoncomputer mitteilten, dass sie im Begriff waren, ihre selbstgesteckten Fitnesstagesziele nicht zu erreichen. Dann legten sie einen Zahn zu.

Und das war zu jeder Zeit möglich. Denn für jede*n war genug Platz. Dafür sorgten die Tore an den Eingängen des Parks. Diese waren immer geöffnet. Außer wenn zu viele Menschen gleichzeitig auf die Idee kamen, in den Park zu wollen. Das kam in der Regel aber nur an schönen Tagen wie diesem vor. Dann schlossen sich eventuell die Tore und öffneten sich erst wieder, wenn Einzelne den Park verließen. Dass dieses System funktionierte, dafür sorgten Lichtschranken an den Eingängen, mit Hilfe derer in Echtzeit festgestellt werden konnte, wie viele Menschen sich gerade im Park aufhalten. So war der Füllstand des Parks jederzeit online abrufbar und es wurde mit Hilfe ausgeklügelter stochastischer Methoden vorhergesagt, ob und wann mit einer Überfüllung zu rechnen wäre. Wenn sich Einzelne trotzdem einem bereits vollen Park näherten und es aufgrund ihrer gespeicherten Verhaltens- und Bewegungsmuster wahrscheinlich war, dass sie die Absicht hatten, in den Park zu gehen, erhielten sie eine Warnung auf ihrem Telefoncomputer. So kam es kaum zu Schlangen an den Eingängen, noch bestand wenig Gefahr, frustriert weiterziehen zu müssen. Da es solche Mitteilungen nahezu für alle Lebensbereiche gab, waren sie ein entscheidender Beitrag zur harmonischen Gesellschaft.

Für eine gerechte Verteilung des Platzes innerhalb des Parks sorgte ein Rudel Robodogs, das den Park durchstreifte. Mit Hilfe von Kameras und ausgeklügelter Sensorik trugen sie dafür Sorge, dass alle Besucher*innen genug Abstand zueinander hielten, so dass deren Privatsphäre gewahrt blieb. Besucher*innengruppen mussten sich als solche zu erkennen geben, indem sie sich gegenseitig in der Kontaktliste der ParkApp ihres Telefoncomputers synchronisierten. Sollte das in einem seltenen Fall einmal nicht passiert sein, konnten die Robodogs mit Hilfe der in ihnen verbauten Lautsprecher auf diesen Missstand aufmerksam machen. Bei Nichtbeachtung standen ihnen auch andere Möglichkeiten zur Verfügung. Z.B. über das Netz menschliche Parkläufer*innen zur Unterstützung rufen, die in im Park verteilten Containern auf ihren Einsatz warteten. Bei größeren Not- oder Zwischenfällen verfügten sie auch über einen WLAN-Draht zu Polizei und Rettungskräften. Bei unmittelbarer Gefahr konnten die Robodogs auch mit Reizgas oder Tasern reagieren. Doch das passierte äußerst selten. Denn seit die Robodogs im Park patrouillierten, kamen Straftaten so gut wie nicht mehr vor. Ein umfassendes Gefühl von Sicherheit war eingekehrt.

Und sauber war es allenthalben. Auch dafür trugen die Robodogs Sorge. Aber nicht nur. Überall im Park waren Müllbehälter aufgestellt, die ihren Füllstand selbstständig überwachten. Sollten sie voll sein, gaben sie Meldung an die Parkläufer*innen, die mit ihren elektrisch betriebenen Lastenrädern für deren Leerung sorgten.

Ein ähnlich gut funktionierendes System gab es für die Beleuchtung des Parks. Nur kam dieses – von ab und zu nötigen Wartungsarbeiten abgesehen – gänzlich ohne menschliches Zutun aus. Die Lampen steuerten sich komplett selbst und bestimmten ihre Helligkeit abhängig von den natürlichen Lichtverhältnissen. Was aber nicht bedeutete, dass sie nachts ständig leuchteten. Das machten sie nur, wenn sich ein für sie ortbarer Telefoncomputer innerhalb ihres Lichtkreises befand und deshalb davon auszugehen war, dass menschliche Augen ihre Unterstützung bei der Umgebungserkennung brauchten.

Aber das kam relativ selten vor. Denn spätestens mit Einbruch der Dunkelheit verließen die meisten Menschen den Park. Zuhause wartete schließlich schon das automatisch bestellte und gelieferte Abendbrot darauf, gegessen zu werden. Der trockene Weißwein zur vom smarten Bildschirm empfohlenen Streaming-Serie stand auch schon bereit – dafür trug der Kühlschrank Sorge, der sich automatisch von diversen Lieferdiensten nachfüllen ließ, sollten seine Vorräte zur Neige gehen.

Um einen geordneten Abzug im abendroten Park sicherzustellen, waren dafür bereits Transportmöglichkeiten bereitgestellt. E-Roller und E-Fahrräder parkten in ausreichender Zahl auf den Gehwegen für diejenigen, die kurze Wege nach Hause hatten. Für längere Reisen durch die Stadt wurde bedarfsgerecht die Transportkapazität und Taktung der öffentlichen Verkehrsmittel angeglichen, so dass jede*r eine möglichst kurze Wartezeit und möglichst großen Komfort hatte. Für Menschen, die aufgrund ihrer Lebensumstände individualisierte Mobilität bevorzugten, wurde die Flotte der autonom fahrenden Taxis in Alarmbereitschaft versetzt.

Ermöglicht wurde dieses komfortable Leben in der smarten Stadt durch kontinuierlich arbeitende Datenzentren, die ständig ein Auge auf die Bewegungen und Bedarfe der Menschen hatten und durch algorithmische Steuerung den effizientesten Ablauf garantierten. Um diesen zu gewährleisten wurde die gesamte Stadt in ein quasi fühlendes Wesen verwandelt. Ein umfassendes Netz von Kameras und Sensoren aller Art sorgte dafür, dass in einer Steuerungszentrale eine ganze Reihe von Datenströmen zusammenlief und ein möglichst reibungsloses Ineinandergreifen der in der Stadt ablaufenden Prozesse gewährleistet werden konnte.

Und wenn wir nichts dagegen haben, dann leben wir schon morgen so…

Ein Beitrag von Winklmeier

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